Finanzen

Das rätselhafte Phänomen der Türkei: 60% Inflation, himmelhohe Zinssätze, schwache Währung und dennoch robustes Wirtschaftswachstum

Die türkische Wirtschaft zeigt ein bemerkenswertes Phänomen: Trotz einer Inflation von über 60 Prozent, extrem hoher Zinsen und einer schwächelnden Währung, wächst sie kräftig. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört die Türkei im Jahr 2023 sogar zu den Industrieländern mit dem größten Wirtschaftswachstum weltweit.

Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu erklären? Welche Rolle spielt die überraschende Kehrtwende von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Wirtschaftspolitik? Und welchen Einfluss hat Russland auf diese Entwicklung?

Die Türkei leidet unter einer enormen Inflation von über 60 Prozent, einer der höchsten Raten weltweit. Die türkische Lira gehört zu den schwächsten Währungen der Welt, was dazu führt, dass Importe teurer werden. Dies ist besonders problematisch, da die Türkei über 95 Prozent ihrer Energie und viele Lebensmittel importieren muss. Trotz drastischer Steuererhöhungen und einer Verdoppelung des gesetzlichen Mindestlohns innerhalb eines Jahres, treiben Preise und Löhne weiterhin gegenseitig die Inflation an.

Im Mai dieses Jahres überraschte Präsident Erdogan jedoch mit einer 180-Grad-Wende in der Wirtschaftspolitik. Er berief den früheren Finanzminister Mehmet Simsek zurück und ernannte die erfahrene Bankerin Hafize Gaye Erkan zur Gouverneurin der Zentralbank. Diese setzte auf einen konsequenten Kampf gegen die Inflation und erhöhte die Zinsen mehrmals auf 30 Prozent. Doch trotz dieser Maßnahmen stieg die Inflation weiter an, und die Lira erreichte historische Tiefststände.

Dennoch hob die OECD ihre Wachstumsprognose für die Türkei im Herbstausblick um 0,7 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent für dieses Jahr an. Dies macht die Türkei zu einem der wachstumsstärksten Industrieländer weltweit. Doch wie lässt sich diese positive wirtschaftliche Entwicklung erklären?

Vier Hauptfaktoren tragen dazu bei:

1. Bevölkerungswachstum: Die Türkei verzeichnet immer noch ein jährliches Bevölkerungswachstum von 0,7 Prozent. Dieses Wachstum bietet ein erhebliches Potenzial für die Wirtschaft des Landes, da die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung noch Raum zur Verbesserung bietet.

2. Investitionen: Große Investitionen, wie die Ankündigung von Alibaba, Milliarden in die Türkei zu investieren, tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Diese Investitionen sind ein Zeichen für das Vertrauen ausländischer Unternehmen in die türkische Wirtschaft.

3. Handel mit Russland: Trotz Erdogans Kritik am Russland-Ukraine-Konflikt hat die Türkei Russland nicht in den Sanktionen gegen Russland unterstützt. Im Gegenteil, die Türkei hat ihren Handel mit Russland stark ausgebaut, was beiden Ländern zugutekommt.

4. Wiederaufbau nach dem Erdbeben: Das verheerende Erdbeben zu Beginn des Jahres hatte zunächst negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, insbesondere in der Grenzregion zu Syrien. Der Wiederaufbau und die damit verbundenen Bauaktivitäten haben jedoch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung geführt und zahlreiche Sektoren belebt.

Trotz der extremen Inflation und der Schwächung der Lira scheint die türkische Wirtschaft weiterhin zu wachsen und sich zu erholen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie nachhaltig dieser Trend ist und wie sich die wirtschaftliche Situation in der Türkei in den kommenden Monaten entwickeln wird.

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