Soziales

Ex-Kanzler Kurz vor Gericht: Erster Prozess gegen Österreichs ehemaligen Regierungschef startet in Wien

In einem historischen Verfahren steht Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz vor dem Wiener Landesgericht. Dabei geht es um den Vorwurf der falschen Aussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss. Noch nie musste sich ein ehemaliger Bundeskanzler der Alpenrepublik vor Gericht verantworten, was das immense Medieninteresse erklärt: Mehr als 80 Journalisten haben ihre Teilnahme am Prozess angekündigt.

Der Hauptvorwurf gegen Kurz dreht sich um seine Aussage bezüglich der Besetzung der ÖBAG-Staatsholding mit seinem Vertrauten Thomas Schmid. Der ehemalige Kanzler bestritt vor dem Untersuchungsausschuss eine aktive Rolle in diesem Prozess, obwohl SMS-Chats zwischen ihm und Schmid darauf hindeuten könnten, dass er maßgeblichen Einfluss auf die Personalentscheidungen genommen hat. Ein berüchtigter Chat beinhaltet die Aussage von Kurz an Schmid: “Kriegst eh alles, was Du willst”, woraufhin Schmid antwortete: “Ich liebe meinen Kanzler.”

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf diese und weitere Nachrichten, die auf Schmids Mobiltelefon entdeckt wurden. Laut Strafgesetzbuch könnte Kurz für eine falsche Beweisaussage bis zu drei Jahre Haft drohen, obwohl Haft für den unbescholtenen Ex-Kanzler unwahrscheinlich erscheint.

Doch der Prozess bietet noch andere mögliche Szenarien. Eine sogenannte Diversion könnte zum Tragen kommen, bei der Kurz keinen Schuldspruch erhält, aber Geld zahlen oder gemeinnützige Arbeit leisten müsste. Auch ein “Aussagenotstand” könnte eine Option sein, bei dem Kurz eine Falschaussage zugibt, jedoch argumentiert, dass er sich oder andere schützen wollte. In beiden Fällen würde kein Schuldspruch erfolgen.

Während Kurz und seine Verteidigung auf Freispruch hoffen, sehen Kritiker und die Staatsanwaltschaft in den Chats klare Beweise für eine bewusste Irreführung des Untersuchungsausschusses. Otto Dietrich, Kurz’ Anwalt in diesem Fall, hat die Vorwürfe als “bloße Anhäufung von Scheinargumenten” zurückgewiesen.

Die politischen Auswirkungen des Prozesses sind nicht zu unterschätzen. Noch immer erfreut sich Kurz großer Beliebtheit in Österreich, und Spekulationen über ein mögliches politisches Comeback machen die Runde. Eine Rückkehr in die aktive Politik scheint jedoch abhängig vom Ausgang des Prozesses.

Mit über 20 geladenen Zeugen dürfte sich der Prozess über Monate hinziehen, mit einem endgültigen Urteil, das möglicherweise erst 2024 erwartet wird.

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