Wirtschaft

Uruguays Erfahrungen mit staatlichem Cannabis: Reduzierung des illegalen Marktes

Seit einem Jahrzehnt baut Uruguay staatlich kontrolliertes Cannabis an und vertreibt es legal. Deutschland könnte von diesen Erfahrungen lernen. Ein Besuch vor Ort zeigt die Entwicklungen.

Im Schaufenster von Montevideo sind sämtliche Ausrüstungen für Marihuana- und Haschisch-Freunde ordentlich ausgestellt: „Alles für Sie und Ihre Ernte“, wirbt ein Cannabis-Zubehörladen im historischen Zentrum der uruguayischen Hauptstadt um Kunden. Das Geschäft rund um die Cannabis-Industrie hat es im südamerikanischen Land geschafft, aus dunklen Ecken in die Einkaufszentren zu gelangen.

Dennoch wird Cannabis hier nicht verkauft, sondern kann in einer „Farmacia“, also einer Apotheke, erworben werden. Einheimische können sich unter „reservarcannabis.com“ anmelden, um einen Termin für den Kauf des staatlich angebauten Marihuanas zu reservieren. Zwischen Deodorants, Zahnpasta und Halspastillen gibt es hier auch den staatlich hergestellten Joint.

Etwa ein Dutzend Apothekenketten bieten diesen Service an. Cannabis ist nicht völlig freigegeben, sondern staatlich reguliert: Der Kauf von bis zu 40 Gramm pro Monat ist erlaubt und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft.

In Deutschland wird derzeit ebenfalls über die Legalisierung von Cannabis diskutiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat dazu einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der ins Kabinett eingebracht werden soll. Das Ziel ist, die erste Stufe der Legalisierung der Droge zu ermöglichen. Demnach soll der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ab 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein.

Auch der Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen wäre erlaubt. Zudem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in speziellen Vereinen erlauben. Politiker reisen seit Jahren nach Uruguay, um sich vor Ort über die Erfahrungen zu informieren.

Cannabis ist der Name einer indischen Hanfpflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. THC ist verantwortlich für die bewusstseinsverändernde Wirkung des Konsums. Mediziner diskutieren über die gesundheitlichen Auswirkungen; einige betrachten Cannabis als Einstiegsdroge zu härteren Drogen. In Uruguay ging es jedoch vor allem um die Bekämpfung der Kriminalität.

„Wir müssen der Drogenmafia ihr Geschäftsmodell entreißen“, erklärte Uruguays ehemaliger linksgerichteter Präsident Pepe Mujica vor über zehn Jahren und initiierte damit einen weltweit beachteten Versuchsansatz. Der Staat agiert in Uruguay als Produzent, Händler und Regulator von legal hergestelltem Cannabis.

“Ich glaube, dass das Ziel, die Macht des Drogenhandels zu verringern, in Teilen erreicht wurde.” – Julia Alves Rocha, Rechtsanwältin aus Uruguay

Die Idee dahinter war, dass der Staat den Drogenkartellen die finanzielle Grundlage entzieht, indem er Cannabis produziert und verkauft. Kartelle erzielen hauptsächlich dann Gewinne, wenn Drogen illegal und schwer zugänglich sind. Zudem erhalten Kunden keine verunreinigte und gefährliche Ware. Durch die staatliche Produktion und Regulierung wird Cannabis aus dem illegalen Kreislauf mit hohen Profiteinnahmen für kriminelle Gruppen herausgenommen.

Julia Alves Rocha (30), eine Anwältin, die in Uruguay auf das Gebiet der medizinischen Nutzung von Cannabis spezialisiert ist, zieht eine positive Bilanz aus juristischer Sicht. Sie glaubt, dass das Ziel, die Macht des Drogenhandels zu verringern, teilweise erreicht wurde. „Die Regulierung funktioniert im Freizeitkonsum“, sagt sie.

„Das Marihuana, das in den Apotheken verkauft wird, ist von guter Qualität und zu einem angemessenen Preis erhältlich. Die Menschen haben Zugang dazu“, erklärt Alves Rocha. Ein Problem sei jedoch der Schwarzmarkt für Touristen, da Ausländer in Uruguay kein Marihuana kaufen dürfen: „Dieser Schwarzmarkt ist entstanden, weil bei der Legalisierung dieses Problem nicht berücksichtigt wurde.“

Die Gesetzgebung habe weder an Patienten gedacht, die Zugang zu Cannabisprodukten wünschen, noch an Ausländer, die in einem Land konsumieren möchten, in dem der Konsum legal ist, so Alves Rocha. Daher kaufen Uruguayer legales Marihuana in der Apotheke und verkaufen es dann zu einem höheren Preis an internationale Touristen.

Das Phänomen des grauen Marktes

Dies ist auch das Thema eines Vortrags mit anschließender Diskussion an der Katholischen Universität in Montevideo. Wissenschaftlerin Lorena Repetto berichtet über ihre Forschungen nach zehn Jahren legalisiertem Cannabis in Uruguay. In der Tat hat es eine Reduzierung des illegalen Cannabis-Marktes gegeben, wie Repetto berichtet.

“Die Cannabisregulierung hat einen legalen Markt geschaffen, aber den illegalen Markt nicht beseitigt.” – Wissenschaftlerin Lorena Repetto

Die Zahl der Kunden, die in Apotheken registriert sind, hat sich von Mai 2018 bis Mai 2023 von 23.161 auf 59.680 mehr als verdoppelt. „Das bedeutet, dass der Kontakt der Konsumenten zum illegalen Markt spürbar zurückgegang

en ist“, erklärt Repetto. Der illegale Cannabis-Markt verliert an Zugkraft und Umsatz, während der legale Markt wächst.

Allerdings hat sich auch das Phänomen des grauen Marktes herausgebildet, also eines Marktes, der zwischen Illegalität und Legalität liegt. „Wir nennen das den grauen Markt, der in verschiedenen Abstufungen existiert“, sagt Repetto. Einigen Konsumenten ist der offizielle Kauf in einer Apotheke zu umständlich, weshalb sie weiterhin ihren alten Dealer bevorzugen. Der öffentliche Konsum in autorisierten Klubs und Vereinen ist nicht für jeden geeignet.

Aus Brasilien kommen Händler, die große Mengen Cannabis kaufen, um es dann zu einem viel höheren Preis in ihrem eigenen Land zu verkaufen, wo der Konsum nach wie vor verboten ist. Repettos Erkenntnis: „Die Cannabisregulierung hat einen legalen Markt geschaffen, aber den illegalen Markt nicht beseitigt.“ Ein Ergebnis der Regulierung ist daher ein echter Wettbewerb zwischen dem illegalen und dem legalen Markt.

Der graue Markt zeichnet sich dadurch aus, dass Cannabis legal produziert wird, aber für den Vertrieb nicht unbedingt legale Mechanismen verwendet werden. Der Erfolg des grauen Marktes beruht laut einer Umfrage des Instituts für Regulierung und Kontrolle von Cannabis (IRCCA) darauf, dass zwei Drittel der Befragten mit der Qualität des staatlich produzierten Joints nicht völlig zufrieden sind.

Staatliche Joints entfalten demnach nicht die gleiche Wirkung wie die Konsumenten es gewohnt waren. Die Selbstkultivierer, die offiziell eine begrenzte Menge Cannabis anbauen dürfen, haben in der Szene den Ruf, besseres Material auf den Markt zu bringen. Genau dieses Material findet sich auf dem grauen Markt.

Tourismus könnte durch eine weitere Legalisierung von Cannabis in Uruguay ansteigen.
Die Hauptziele des Projekts wurden erreicht, sind die Experten überzeugt. „Die Verbraucher von Drogenhandel und damit verbundener Gewalt fernzuhalten, war eines der Hauptziele der Regulierung“, heißt es in Repettos Studie.

In dem Land hat sich seitdem eine eigene Cannabis-Industrie entwickelt, die auch legale Arbeitsplätze schafft. In Uruguay wurde Südamerikas erstes Cannabis-Wellness-Resort „La Tertulia“ eröffnet. Das Fünf-Sterne-Hotel liegt in der Felsenlandschaft knapp drei Autostunden von Montevideo entfernt: „Das ikonische Anwesen, das zuvor der argentinischen Star-Schauspielerin Susana Gimenez gehörte, liegt im Herzen von Garzon“, heißt es auf der Website des Betreibers „yvylife.com“.

Die Zielgruppe sind Menschen, die Frieden, Ruhe und eine erhöhte Entspannung suchen. Gäste, die sich für die medizinische Verwendung von Cannabis interessieren. Zwischen Grillabenden, luxuriösen Unterkünften und hervorragendem uruguayischem Wein gibt es auch Zeit, den Konsum von Cannabis im rechtlichen Rahmen zu erforschen.

Nun soll der legale Markt weiter wachsen, um den illegalen Markt weiter zurückzudrängen. Dabei muss auch an den Tourismus gedacht werden: Experten haben vor der Tourismus-Kommission der Abgeordnetenkammer einen Vorschlag für eine weitere Legalisierung auch für internationale Touristen präsentiert. Laut „El Observador“ könnten auf diese Weise jährlich 100.000 Touristen nach Uruguay kommen.

Related Articles

Back to top button