Soziales

Präsidentin Claudine Gay tritt zurück


Es sei im besten Interesse von Harvard, wenn sie zurücktrete, schrieb Claudine Gay in ihrem Brief an die Universitätsgemeinschaft. Auch wenn sie dies „schweren Herzens“ tue. Vorangegangen waren Wochen der Kritik an der Präsidentin der Eliteuniversität, erst wegen ihrer Aussagen zu Antisemitismus auf dem Campus, später wegen Plagiatsvorwürfen. Mitte Dezember noch hatte Harvard mitgeteilt, Gay werde trotz Rücktrittsforderungen im Amt bleiben. Doch in dem Brief schreibt die 53 Jahre alte Politikwissenschaftlerin nun, „nach Rücksprache mit Mitgliedern“ des Leitungsgremiums der Universität habe sie sich zum Rücktritt entschlossen. So könne Harvard „diese außergewöhnliche Herausforderung“ meistern, indem man sich auf die Institution, nicht auf eine Einzelperson konzentriere.

Sofia Dreisbach

Politische Korrespondentin für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Von der Harvard Corporation selbst hieß es, der Rücktritt beweise Gays „selbstloses“ und entschiedenes Engagement für die Universität. Neben Fehltritten, die sie zugegeben habe, habe die Präsidentin „angesichts zutiefst persönlicher und anhaltender Angriffe eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit“ bewiesen. Die häufig „abstoßenden“ und in einigen Fällen rassistischen Bemerkungen verurteile man „aufs Schärfste“.

Eklat in der Auschusssitzung

Schlüsselmoment in der Diskussion um Gay war eine Anhörung vor dem Bildungsausschuss Anfang Dezember. Damals sagte die Harvard-Präsidentin gemeinsam mit den Präsidentinnen der University of Pennsylvania und des Massachusetts Institute of Technology zu antisemitischen Vorfällen auf dem Campus aus. Alle wollten auf Nachfrage nicht ausdrücklich bejahen, dass die Forderung nach einem Völkermord an Juden einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Institutionen darstellt. Liz Magill von der Universität Pennsylvania war am 11. Dezember im Zuge der Debatte zurückgetreten.

Gay äußerte, das hänge vom „Kontext“ ab, und bezog sich dabei auf die Redefreiheit, wie sie in der amerikanischen Verfassung verankert ist. Die republikanische Abgeordnete Elise Stefanik hatte eine Antwort mit Ja oder Nein gefordert. Nach heftiger Kritik entschuldigte die Harvard-Präsidentin für ihre Aussage und stellte klar: „Aufrufe zu Gewalt oder Völkermord gegen die jüdische Gemeinschaft oder eine religiöse oder ethnische Gruppe sind abscheulich, sie haben keinen Platz in Harvard.“ Diejenigen, die jüdische Studenten bedrohten, würden zur Rechenschaft gezogen. Doch der Schaden war angerichtet.

„Kein wissenschaftliches Fehlverhalten“

Hinzu kamen mehrere Plagiatsvorwürfe gegen die Wissenschaftlerin, die kurz nach der Anhörung online verbreitet wurden. Die konservative Nachrichtenwebsite „The Washington Free Beacon“ behauptete, Gay habe Teile von vier akademischen Arbeiten aus einem Zeitraum von 24 Jahren plagiiert, unter ihnen auch die Doktorarbeit in Harvard. Eine unabhängige Prüfung fand unzureichend kenntlich gemachte Zitate, jedoch kein „wissenschaftliches Fehlverhalten“. Gay forderte anschließend vier Korrekturen in zwei Artikeln, um Zitate und Anführungszeichen einzufügen, die ursprünglich weggelassen worden waren.

Trotz des Ergebnisses der Überprüfung leitete der republikanisch geführte Bildungsausschuss des Repräsentantenhauses kurz vor Weihnachten eine Untersuchung gegen Gay wegen der angeblichen Plagiate ein und verlangte dazu Dokumente von der Universität. Mehrere Mitglieder der Harvard-Universität äußerten sich am Dienstag entsetzt über den Rücktritt Gays. Führende Republikaner im Kongress hätten „der Unabhängigkeit von Colleges und Universitäten den Krieg erklärt“, äußerte der Geschichtsprofessor Khalil Gibran Muhammad. Durch den Rücktritt würden sie nun nur ermutigt. Eine andere Professorin sprach von einer „öffentlichen Hetzjagd“ statt einer Entscheidung „auf Grundlage etablierter wissenschaftlicher Prinzipien“.

Gay war die erste schwarze Harvard-Präsidentin und wird auch für die kürzeste Amtszeit in die Geschichte der Universität eingehen. Sie hatte die Präsidentschaft erst im Juli übernommen. Interimspräsident soll Alan Garber, der fakultätsübergreifende akademischen Leiter der Universität, werden.



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