Wirtschaft

Die Branche mit dem größten Auftragssprung seit 2020 sei eine „große Überraschung“

Die Industrieaufträge stiegen im Juni um sieben Prozent, nachdem sie bereits im Mai um sechs Prozent zugenommen hatten. Volkswirte hatten tatsächlich mit einem Rückgang von zwei Prozent im Juni gerechnet. Aber die Situation bleibt für eine Branche schwierig.

Die kriselnde deutsche Industrie ist mit dem zweiten Boom in Folge zurück: Im Juni wuchsen die Aufträge überraschend um 7,0 Prozent gegenüber dem Vormonat und damit stärker als in den letzten drei Jahren. Besonders Großaufträge – vor allem aus der Luft- und Raumfahrtindustrie – haben dazu beigetragen, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.

Dennoch ist das Plus unerwartet, besonders in diesem Ausmaß: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten mit einem Rückgang von 2,0 Prozent gerechnet, nach einem ungewöhnlich starken Anstieg von 6,2 Prozent im Mai.

“Erneut eine große Überraschung, aber auf der positiven Seite. War die Rezession am Ende nur ein schlechter Traum?”, fragte sich der LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch angesichts dieser unerwartet positiven Entwicklung der Aufträge. “Die Situation ist nicht so düster, wie Deutschlands Wirtschaft derzeit als kranker Mann Europas dargestellt wird”, sagte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel.

Dennoch deuten führende Indikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima darauf hin, dass Europas größte Volkswirtschaft, die seit drei Quartalen in Folge nicht gewachsen ist, sich nach wie vor in einer wirtschaftlichen Abschwung befindet. Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, hält den Auftragsboom daher nicht für nachhaltig, zumal er auf Großaufträgen beruht. “Der Aufwärtstrend zeigt immer noch nach unten”, sagte Krämer. “Ich erwarte immer noch, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Halbjahr schrumpfen wird.”

Der Bau von Schiffen, Zügen und Flugzeugen hat zugenommen

Das Bild sieht weniger gut aus, wenn man das gesamte zweite Quartal betrachtet: Von April bis Juni stiegen die Aufträge nur um 0,2 Prozent gegenüber dem vorherigen Zeitraum. “Die beiden signifikanten Anstiege im Mai und Juni kompensierten den Rückgang von 10,9 Prozent der Aufträge im März”, erklärten die Statistiker. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht daher keinen Grund zum Feiern: “Dennoch bleiben die Aussichten für die industrielle Aktivität angesichts des weiterhin düsteren Geschäftsklimas und der schwachen Weltwirtschaft gedämpft”.

Im Gegensatz dazu waren die inländischen Aufträge im Juni gegenüber dem Vormonat um 2,0 Prozent gesunken, während die Nachfrage aus dem Ausland um 13,5 Prozent stieg, wobei die aus der Eurozone um 27,2 Prozent zunahm. Besonders positiven Einfluss hatte die sogenannte sonstige Fahrzeugkonstruktion mit einem Anstieg von 89,2 Prozent. Dazu gehören der Bau von Schiffen, Schienenfahrzeugen, Flugzeugen und Raumfahrzeugen sowie Militärfahrzeugen.

Auch im Maschinenbau gab es ein starkes Wachstum von 5,1 Prozent, während die Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen einen Rückgang von 7,3 Prozent verzeichneten. “Die Situation bleibt für die Autohersteller schwierig”, sagte Ökonom Gitzel.

Das starke Wachstum bei den Aufträgen spiegelt sich noch nicht im Umsatz wider: Die realen Umsätze im verarbeitenden Gewerbe waren im Juni um 1,6 Prozent niedriger als im Vormonat. Im Mai gab es noch einen Anstieg von 3,4 Prozent.

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